Das Handy von René Gehrig (30) klingelt. Der Ton, urchige Schwyzerörgelimusik, ist wie geschaffen für die momentane Lebenssituation des jungen Landwirten: Am letzten Freitag zügelten er, seine Eltern und Bewohner 28 Kühe und Rinder mitten aus dem Dorf in die Siedlung am Chisacherweg. Dort betraten die Kühe laut muhend ihren neuen Freilaufstall.

Ein richtig kleiner Alpaufzug sei das gewesen, erinnert sich René Gehrig lachend. «Mit Bändern behielten wir die Kühe auf der Strasse, damit sie nicht alle Gärten und Gemüsebeete der Ammerswiler vertrampelten.»

Für den jungen Landwirten und seine Eltern Ruth und Oskar waren es emotionale Momente, als sie ihre Kühe aus dem alten Stall herausbrachten. Wehmütig einerseits, weil Oskar Gehrig in diesem Bauernhaus aufgewachsen ist, glücklich andererseits, weil für die Familie einen Traum in Erfüllung gegangen ist. «Jetzt können wir so bauern, wie wir es uns gewünscht haben.»

Stolz zeigt René Gehrig auf das luft- und lichtdurchlässige Ökonomiegebäude, das Aussicht aufs Ammerswiler Kirchlein bietet und am Waldrand liegt. Unterteilt in Lauf- und Liegeflächen können die Tiere selbst bestimmen, wohin sie gehen wollen. In einem abgetrennten Teil werden sie gemolken. An ihr neues Leben müssten sich die Tiere erst noch gewöhnen, meint Gehrig. Alles sei neu für sie. Das sei auch der Grund, wieso die Tiere momentan weniger Milch geben als sonst.

Sechs Jahre hat die Familie Gehrig für ihren neuen Siedlerhof gekämpft. Zuerst ging es darum, einen Platz zu finden, der die erforderliche arrondierte Weidefläche von vier Hektaren aufwies. Die Verhandlungen mit der kantonalen Abteilung Landwirtschaft dauerten, man besichtigte allfällige Standorte, suchte nach Lösungen, um mit anderen Landbesitzern Flächen abzutauschen. Als man endlich am Chisacherweg fündig wurde, schaltete sich die Kommission für Landschafts- und Ortsbildschutz ein. Damals befand sich der Siedlerhof noch in der Landschaftsschutzzone, 2010 stimmte die Gemeindeversammlung jedoch einer Umzonung in die Landwirtschaftszone zu. Die Gemeinde sei immer hinter den Plänen der Bauernfamilie gestanden, sagt René Gehrig.

Er erzählt, dass der Landschafts- und Ortsbildschutz die Landschaft am Chisacherweg zu schön fand, um sie zu überbauen. «Die Abteilung legte uns viele Steine in den Weg. Unter anderem konnten wir die Silos nicht so hoch bauen, wie wir planten.»

René Gehrig hat beim Stallbau viel mitgeholfen. Das war dank seinen Eltern möglich, die ihn während dieser Zeit auf dem Bauernhof vertraten. Ausserdem arbeitete der Bauer während zehn Jahren bei der Landwirtschaften Baugenossenschaft in (ORT?)

Mitte September greift er wieder zu Handwerkzeugzeug, wenn er mit dem Bau des Wohngebäudes neben dem neuen Stall beginnt. Jetzt wohnen die Gehrigs noch mitten im Dorf. Der Landwirt hofft, im nächsten Frühling ins neue Zweifamilienhaus einzuziehen. Seine Eltern werden unten, er und seine Partnerin im oberen Stockwerk leben.

Spätestens dann leben auch die vier Pferde am Chisacherweg. Sie seien eine richtige «Rösselerfamilie», findet René Gehrig. «Mein Vater war in der Kavallerie, ich im Train und meine Mutter reitet Dressur.» Heute spannt René Gehrig seine Pferde immer wieder vor den Wagen.

Lange hätte die Familie Gehrig nicht mehr im Dorf leben können. Der Platz war eng, die Infrastruktur veraltet, und spätestens 2013 hätte man den Stall modernisieren müssen. Bald wird das Bauernhaus abgebrochen: Die Gehrigs haben den Hof verkauft, der neue Besitzer wird das Areal überbauen.

An den Chisacherweg auszusiedeln, brauchte Mut für René Gehrig. Er dachte an andere landwirtschaftliche Erwerbszweige, etwa an den Aufbau einer Fohlenweide oder die Aufzucht von Rindern. Auch hätte er auf den Bau zurückkehren können. Das wäre wohl weniger aufwendiger gewesen für ihn, als – so wie er es jetzt tut – etliche Landsstücke, die weit voneinander weg liegen, zu bewirtschaften.

Nein, Gehrig wollte Bauer bleiben. «Mein Herz schlägt für die Landwirtschaft.» Das gebe ihm eine besondere Beziehung zur Natur und man sei sein eigener Herr und Meister. Die Siedlung am Chisacherweg bietet ihm beste Grundlage dazu.

 

KONTEXT

Ammerswil zählt über 600 Einwohner. Wohl gibt es im beschaulichen Dorf keine Industrie- dafür einige Kleingewerbebetriebe. Früher war Ammerswil ein richtiges Bauerndorf, doch schrumpften die Betriebe im letzten Jahrhundert beträchtlich: 1900 gab es 40 Bauern, 1990 waren es noch 7. Heute bewirtschaften 6 Landwirte die Felder und Wiesen. 2 konzentrieren sich auf den Gemüseanbau, die anderen betreiben Ackerbau und Milchwirtschaft. Die Familie Gehrig führt den Betrieb als Generationenprojekt. Sie bewirtschaftet 36 Hektaren Land, davon sind 8 Hektaren im eigenen Besitz. (bA)